Unsere Haushunde sind in der Lage, die Stimmen ihrer Besitzer zu erkennen. Das erleben wir jeden Tag, auch wenn so mancher Hund manchmal so gar nicht hören will. Aber wie ist das mit Wölfen, die in Gehegen leben? Wie verhalten die sich, wenn ihre Pfleger sie rufen? Ignorieren sie die Stimmen, oder verstehen sie, wer da mit ihnen spricht? Das haben nun Wissenschaftler der Universitäten in Turin, Fachbereich Biowissenschaften und Systembiologie, des Cavanilles-Instituts für Biodiversität und Evolutionsbiologie der Universität von Valencia sowie der Abteilung für Sensorische Neuroethologie an der Universität St-Etienne untersucht. Das Ergebnis: Nicht nur Hunde reagieren auf vertraute Stimmen, sondern auch Wölfe und vielleicht sogar alle Wirbeltiere.
Bislang gingen die Wissenschaftler davon aus, dass die Fähigkeit von Hunden, menschliche Stimmen genau zuordnen zu können, auf Generationen zurückliegende selektive Zucht beruht. Hunde sind seit Jahrtausenden menschliche Begleiter und haben sich diese Fähigkeit angeeignet. Wie das bei den Wölfen, den Vorfahren unserer Hunde, war, die bereits vor 14 000 bis 16 000 Jahre mit Menschen zusammenlebten, konnte bislang nicht nachvollzogen werden.
Unter Verwendung eines bestimmten Paradigmas wurden den Wölfen, die in Gefangenschaft leben, Audioaufnahmen von den Stimmen ihrer Tierpfleger und von Fremden vorgespielt. Das Ergebnis: Wenn die Wölfe die Stimmen Ihrer Tierpfleger hörten, war ihre Redaktion darauf bedeutend stärker, als bei den Stimmen der Fremden. Das zeigte, dass Wölfe eindeutig zwischen vertrauten und nicht vertrauten Sprechern unterscheiden.
Das deutet nach den vorliegenden Ergebnissen der Wissenschaftler Beatrice Gammino, Vicente Palacios, Holly Root-Gutteridge, David Reby und Marco Gamba darauf hin, dass die Fähigkeit von Hunden, zwischen den menschlichen Stimme zu unterscheiden, schon bei ihrem Vorfahren, dem Wolf, vorhanden gewesen sein muss. Und die Wissenschaftler gehen sogar noch einen Schritt weiter, sie erkennen daran, dass dies eine allgemeine Fähigkeit von Wirbeltieren sein könnte, unterschiedliche Individuen zu erkennen.
Holly Root-Gutteridge von der University of Lincoln (England) und ihre Kolleginnen und Kollegen führten für ihre Studie Experimente in fünf Zoos und Wildparks in Spanien durch. Insgesamt waren 24 Grauwölfe (männliche und weibliche) im Alter von einem bis zu 13 Jahren daran beteiligt. Sie stellten Lautsprecher in den Gehegen auf und spielten den Wölfen zunächst Stimmen von Fremden vor. Die Wölfe reagierten darauf gelangweilt, ein direktes Feedback kam nicht zustande. Dann spielten die Wissenschaftler den Grauwölfen einige von den Tierpfleger oft verwendete Sätze auf Spanisch vor, und schon hoben die Wölfe ihre Köpfe, spitzten die Ohren und suchten nach dem Tierpfleger.
Um zu testen, ob das Zufall war, spielten sie erneut die Stimmen der Fremden vor, mit dem gleichen Ergebnis. Schließlich tönten über die Lautsprecher erneut die Stimmen eines ihrer Tierpfleger, allerdings dieses Mal mit Sätzen und Rufen, die sie sonst nur von Fremden zu hören bekommen. Ergebnis: Auch hier reagierten die Wölfe gleich und erkannten, um wen es sich gehandelt hat.
Dieses Ergebnis, dass Wölfe in der Lage sind, menschliche Stimmen zu unterscheiden, ist nach Feststellung der Forscher bedeutsam, obwohl Mensch und Wolf schon vor tausenden von Jahren getrennte Wege gehen. Bislang hatte es bezüglich definierter Lautäußerungen nur wenige Studien gegeben. Dass Gorillas, unsere engen Verwandten, den Menschen zuhören, war schließlich zu erwarten.
Gegenüber der Wissenschaftszeitschrift phys.org erklärte Root-Gutteridge, dass angesichts der neuen Forschungsergebnisse die Chancen gutstehen, dass viele Wirbeltierarten eine allgemeine Fähigkeit besitzen, uns zuzuhören. Hunde könnten zum Beispiel Katzen zuhören und den Unterschied zwischen dem einen oder anderen Miauen verstehen. Das könnte, so die Wissenschaftlerin, bedeuten, dass die Tiere viel mehr Interaktionen zwischen den Arten haben, als wir das bisher gedacht hatten.
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